Knallend fliegt die hohe, mit Messing beschlagene Eichentür zur Seite und eine Gestalt in Roben fällt hinter ihr in das Turmzimmer. Der bärtige Mensch rappelt sich auf, murmelt irgendetwas von "...alles muß man selber machen!", und kramt nach einem Buch in seiner Tasche, während sich weitere Personen nachdrängen. Ein edler Paladin und ein etwas runtergekommener Zwerg werden von einem kaum erkennbaren Elfen gefolgt. "Nicht schlecht für einen Magier", meint Tundril, der Zwerg. "Wohlan", dröhnt Boras, der Paladin, "wo hat sich das Böse seinen Schlupfwinkel in dieser düsteren Behausung? "Genau", meint Tundril, "wo steckt der Widerling?"
"HIER!, ihr Wichte", poltert es von einer riesigen, schwarzgekleideten, mit den Armen wedelnden Gestalt, die zuvor niemand bemerkt hatte.
"Weh euch, ihr Eindringlinge, die ihr in mein finsteres Reich gekommen seid, meine Diener des Bösen vernichtet und mich definitiv beim Pinkeln gestört habt." Er breitet die Arme auf und verfällt in einen stillen Sing Sang. Dalerion, der Elf, hat in der Zwischenzeit zwei Dolche gezückt und drückt sich kaum merklich an der runden Turmwand entlang auf den Schwarzhexer zu.
"Greift ihn an!", zischt Alnafur, der Magier, "ich bereite in der Zwischenzeit einen Megafeuerball vor, Reichweite zwar nur 5 Meter aber ´nen Bums wie den thermonuklearer Sprengkopf, dauert 3 Minuten". Boras (richtet sich stolz auf): "Wohlan, finsterer Schurke, lange reisten wir durchs Land, folgten den Spuren deiner üblen Missetaten, doch heute soll der Tag und jetzt die Stunde der Abrechnung mit dem Guten sein." Tundril (gelangweilt): "Übersetzung: jetzt geht´s Dir an den Kragen." Boras (mit reichlich geschwollener Brust): "Lange hast Du Dich den Kräften der Gerechtigkeit entzogen, doch nun haben sich einen leuchtenen Kreis um Dich gezogen, dessen Reinheit Du Dich nicht widersetzen können wird." Tundril (gähnend): "Übersetzung: Mit Flucht isses Essig." Boras (mittlerweile in voller Fahrt): "Nun fühle die Kraft die Götter auf Dich herniederprasseln und fühle Deine verderbte Seele Deinem Körper entrissen und heulend in den Nimbus der ewigen Schwärze fahren, wo sie schmoren wird, bis die Reinheit... Tundril (abwürgend): "Übersetzung: Sag ´Ciao´ zu Deinem Arsch!"
Nimenson, der Schwarzhexer (sichtlich genervt): "Ach Du schrecklicher Dämon, da kann sich doch kein Schwein auf die simpelsten Flüche konzentrieren! Sagt mal, wer schreibt für den Trottel eigentlich die Reden, ´nen impotenter Hochelfenpriester?" Tundril bricht in Gelächter aus, Boras braust auf und zieht ein Langschwert: "Für diese Unverschämtheit sollst Du die Macht meines magischen Schwertes schmecken!" Tundril (sein Gelächter bricht abrupt ab, seine Augen weiten sich): "Moooooment, was heißt hier, mein magisches Schwert?" Boras (läßt den Schwertarm sinken): "Na, hier, mein Langschwert mit der Rune des Zahidel, macht 13 mal unsichtbar und gibt ein +2 auf Treffer- und Schadenswurf."
"Toll, nein wirklich, wunderbar", säuselt Tundril, kommt ein paar Schritte näher und faßt Boras am Kettenhemdkragen, "und wo haben der gnädige Herr dieses feine Machwerk offensichlich zwergischer Schmiedekunst her?" Boras schüttelt die Hand ab, "Na aus dem Verlies, daß wir heute morgen durchsucht haben." "Wo war ich denn da?" fragt Tundril und kratzt sich nachdenklich im Bart. Boras: "Du folgtest dem Ruf Deines Innersten, äh, ich meine, Du huldigstes der Natur auf der ureigensten Weise, äh, Du..." "Du warst kacken!" unterbricht Alnafur, steckt danach sofort wieder die Nase in sein Buch.
"Ach so, während ich also meinen Darm leere, leert ihr irgendwelche Schatzkisten und gebt keinem was ab!" "Wieso, Alnafur hat ein Zauberbuch gefunden, das probiert er wohl gerade aus, und Dalerion hat zwei magische Dolche eingeheimst." "Zwei magische Dolche, was für zwei magische Dolche?" "Na die, mit denen er jetzt gerade da drüben den Schwarzhexer von hinten erdolchen will."
Nimenson fährt herum blickt den Elf scharf an. Dalerion (senkt die Klingen): "Äh, ich weiß wie das jetzt aussieht, aber ein so erfahrener Schwarzhexer wie Du wird doch nicht auf das Gestammel eines einfältigen Menschleins hören, der dazu noch..." >PLOP<, ein Häuflein Asche rieselt zu Boden. Tundril: "Ach du liebe Scheiße!" Nimenson richtet sich auf: "Dasselbe Schicksal wird euch auch gleich ereilen, ich werde..."
"Kommen wir zurück zu diesem Langschwert." meint Tundril und wendet sich Boras zu. "Eigentlich war ich noch nicht fertig, ich..." stammelt der Schwarzhexer. Boras (leicht genervt): "Oh Lord des Finsternis, halte Deine Zunge in Zaun, äh Zaum, ich meine, ach Mann, halt einfach die schwarze Klappe. Und Du (er fährt herum zu Tundril), wo liegt Dein verdammtes Problem, wurdest Du als Zwergenbaby nicht gesäugt und kompensiert das jetzt durch Schwertneid?"
Tundril (sein Gesicht gerötet): "Laß meine Mutter aus dem Spiel, langer Lulatsch, oder ich mache Dich zu einem von unserem Volk, zumindest von den Körpermaßen her." Boras: "Wo sind denn die 100 Zwerge, die Du dazu brauchst, mich festzuhalten? Alleine bist Du doch zu feige, eine Ameise anzugreifen." Tundril (schreiend): "Aha, jetzt mit magischem Schwert hat unser Herr Edelrecke plötzlich den Mumm ´ne dicke Heldenlippe zu riskieren, zieh doch Deine Rüstung aus, die Du mir damals vor der Nase weggeschnappt hast, aus, leg´ das Schwert weg, dann werden wir ja sehen." "Vergiß es, Zwerg", lacht Boras, "um Dir auch nur eine halbwegs faire Chance zu geben, müßte ich mich vorher enthaupten lassen." "Wieso, stecken in Deinem Kopf auch noch ein halbes Duzend Kleinodien drin?", stichelt Nimenson, "die werden Dir nun aber auch nichts mehr nützen. . . bei den Herrschern der Hölle ... " Tundril und Boras (gleichzeitig): "MAUL!"
Boras (zu Tundril): "Du bist doch überhaupt erst mitgekommen, als wir Dir von gewaltigen Schätzen erzählt haben." "Ich stehe wenigstens dazu und verstecke mich nicht hinter Schwuchtelsprüchen wie ´Wir müssen die Welt vom Übel reinigen´, bäääh, davon wird kein Schwein satt und reich."
Nimenson (nahezu schreiend): "Hallo, haaallooo, haaaaalloooooo, beachtet mich noch irgendjemand, kann mir mal einer zuhören, ach, wißt ihr was, macht den Scheiß hier doch alleine weiter!" Sprichts und setzt sich in seinen Fledermausthron, stützt den Kopf in die Hände und betrachtet die Streithähne.
"Vornherum so heilig reden und hinterrücks dann die Gefährten übers Ohr hauen." "Ach habe ich mich damals beschwert, als Du ganz alleine die Diamanten von der Halblingprinzessin geschenkt bekommen hast?" "Die hatte wenigstens Geschmack, was die Größe angeht, das Gold brauchte ich außerdem dringend für meine Familie." "Klar, wahrscheinlich hatte Dein 26. Balg noch keinen Platinlöffel für seinen Ogerpudding." "Das nimmst Du zurück." "Nein, niemals!" "Das nimmst Du soooofort zurück!!!" "Ha HA HAAAA!" "Ich hau´ Dir auf die Zwölf!" "Da kommst Du doch gar nicht ra..." >BUUUMMMM<
Ein ohrenbetäubener Knall durchzuckt die Atmosphäre. Ein Flammenball taucht alles in gelb-weißes Licht, verzehrende Hitze schwärzt die Wände des Turms.
"Ups", meint Alnafur, "der Fleck war wohl doch ein Komma."
Wo Boras und Tundril standen, schwelt ein wenig Asche, auf dem Boden verteilt liegen eine Menge metallener Gegenstände, Nimenson sitzt leicht angekohlt auf seinem Thron, ungläubig starrt er auf die Szenarie. Depremiert steht er auf, seine Kleidung fällt von ihm ab. "Was war das?", stammelt er, "warum lebst Du noch?". "Das war mein neuer Zauberspruch, nettes Ding. Geschützt hat mich mein Talisman, den habe ich, äh, mir von Tundril ausgeliehen, ich hoffe er wird ihn nicht vermissen. hä hä hä." sagt Alnafur, und beginnt, sehr interessiert, die am Boden liegenden Gegenstände zu inspizieren. "So", meint Nimsenson niedergeschlagen, "jetzt können wir ja wohl endlich in die Endkampfphase gehen, oder?"
"Ach Quatsch", antwortet Alnafur, während er eifrig einsammelt, "Du bist doch gar nicht in der Verfassung - warte mal (murmelt er vor sich hin), also wir kamen hier hoch, und gerieten in den Hinterhalt des Schwarzhexers, Dalerion war sofort tot, Boras und Tundril, beides tapfere Burschen, starben später in meinen Armen. Sie vertrauten mir ihr Hab und Gut an, ich sollte es neuen Aufgaben zuführen, hi hi, oder zu Geld machen, um den Armen zu helfen. Ich Armer, hi hi, diese Verantwortung tragen zu müssen, ..., ach schau her, der hatte also das Schlangenamulett, hä hä." Pfeifend schnürrt er einen Beutel zusammen und wirft ihn sich über die Schulter. "So, ich werd´ dann mal, mach´s gut", und stapf zum Loch hinaus.
Nimenson (fassungslos): "Was, was, was soll das?", er stürzt zum Fenster, schreit Alnafur hinterher: "Das lasse ich mit mir nicht machen, davon wird mein Anwalt erfahren, ich, ich, ich verklage Dich!" Er blickt sich in seinem Turmzimmer um und seufzt: "So ein Mist, für die Renovierung braucht man Jahre, und die nächste Gruppe kommt schon in drei Tagen."
Hattet ihr gerade eben ein Deja Vú? Nein wartet, ihr braucht jetzt nicht das Zimmer zu durchsuchen, ihr hattet eines. Wir kennen alle das Phänomen der Gier, von deren Auswüchse wir eben lasen. Da schielen Kameraden auf die Gegenstände eines anderen Gefährten (und haben dabei so ein merkwürdiges Funkeln in den Augen). Gier. Da wird der Auftraggeber bei seiner Schwärmerei von ´wichtige Mission für die gesamte Welt´, ´Heldenhaftigkeit, ewiger Ruhm und Ehre´ und ´auf immer in der Schuld stehen´ jäh mit dem Wörtlein ´wieviel?´ zum Schweigen gebracht. Gier. Da läßt man jedes Geschenk von einer Horde Magieanalytiker und Goldschmiede begutachten und schätzen und bei enttäuschenden Resultaten entsorgen (nicht ohne sich zuvor lauthals beim Schenkenden über die Nutzlosigkeit des Präsentes beschwert zu haben).
Tja, die Gier. Abschaffen wird sie wohl keiner können, jedoch kann ein geschickter Spielleiter das Schlimmste verhindern (wie das Meucheln von Gruppenmitgliedern, Auftraggebern, Bankangestellten, Versicherungsvertretern). Alle folgenden Tips haben jedoch zur Voraussetzung, daß die Abenteurer eine Belohnung auf wirklich verdient haben. Es gibt kein magisches Amulett, nur damit dieser Priester endlich aufhört zu quengeln, soll er sich danach benehmen.
Bevor es an das große Verteilen geht, sollte man in Erfahrung bringen, was ein jedes Gruppenmitglied denn so vorrangig als wertvoll erachtet. Sind es schnöde Goldstücke, tolle Amulette, brilliante Waffen, enorme Rüstungen oder schnuckelige Stäbe. Manch ein verrückter Abenteurer ist scharf auf Musikinstrumente, Kunstwerke oder besonders schöne Schmuckstücke.
Wenn man dann Geschenke verteilt, sollte man darauf achten, daß jeder etwas bekommt, das zu ihm paßt, denn nichts ist frustrierender, als etwas zu finden, was man nicht benutzen kann. Spielt man z. B. einen Glücksritter mit Rapier und Parierdolch, der als Beute aus dem Abenteuer mit einem magischen großen Schild und einem Schlachtbeil +2 abzieht, ist das Hühnerkacke. Stellt sich dann noch heraus, daß niemand aus der Gruppe etwas damit anfangen kann, und damit ein Tausch auch flachfällt, wird die Sache noch unangenehmer.
Noch schlimmer als ein Gegenstand, den keiner gebrauchen kann, ist ein Gegenstand, den jeder gebrauchen könnte. Dies sind die sogenannten Omnigadgets. Das unsichtbarmachende Amulett, der Rüstungschutz-erhöhende Ring, der Schwerthiebe-abwehrende Armreif etc. Nützt jedem, will auch jeder haben. Hier siegt meistens der, der zuerst da war. Die, die in die Röhre schauen, werden gierig. Wenn´s einigermaßen gut geht wird diskutiert ("Komm schon, mein Rüstungsschutz ist eh am niedrigsten!"), wenn´s schlecht läuft wird geklaut ("WOOO ist mein Schwert?"), wenn´s katastrophal läuft ... (röchel).
Deswegen: keine Universalspielzeuge verteilen, die meistens auch noch zu mächtig sind. Lieber etwas klassenspezifischer, dann hat ein frisch verstorbener Charakter auch eine Chance mit seinen Schätzen bestattet, statt gefleddert und liegengelassen zu werden.
Die wirksamste Verhinderung von Gier ist Gleichmäßigkeit. Dies soll nicht heißen, daß jeder Charakter in jedem Abenteuer ein maßgeschneidertes Teil finden sollte, über kurz oder lang sollte doch ein gewisser Ausgleich erreicht werden. Bei Geldsummen ist dies relativ einfach, doch auch bei der Macht von Gegenständen sollte gleichmäßig verteilt werden. Ein Dolch für den Dieb, eine Axt für den Zwerg, das scheint gerecht. Wenn allerdings der Dolch einmal am Tag "Guten Abend" sagen, und die Axt 10 mal in der Stunde einen Feuerball zaubern kann ... hmmm, irgendwie unfair.
Versuche von Spielern, die Mitspieler zu übervorteilen (Gegenstände verstecken, von Geldfunden nichts erzählen etc.), sollten vom Spielleiter unterbunden werden (Ein Gegenstand fällt aus Versehen aus dem Rucksack, ein NSC Dieb schlägt zu etc.). Dies mag zwar ziemlich lehrerhaft wirken, aber hey, fair ist fair, und schließlich spielen wird ein Pädagogikspiel...(hä hä).
Fallen den Abenteurern bei jedem Schisselauftrag Wahnsinnsbeutestücke in die Raffhände, halten sie das für selbstverständlich. Belohnungen dürfen sich nicht abnutzen, sie dürfen nicht erwartbar sein. Ein Spieler, der ständig in seinem Charakterbogen nachlesen muß, was er so alles mit sich herumschleppt und was die Gegenstände so alles können, ist ein sicheres Zeichen dafür, daß sein Charakter zuviel besitzt. Deshalb: nicht nur passend und gleichmäßig verteilen, auch sparsam.
Schön sind hier Beutestücke, deren Wert sich nicht gleich offenbart, bei denen man erst nachforschen muß. Gerade magische Waffen sollten selten sein und nicht mit AD&D typischen Zahlenwerten abgefertigt werden. Sie brauchen einen Namen, eine Geschichte, eine Menge Stil und optimalerweise eine Entwicklungsoption, d. h. daß ein Gegenstand über die Zeit mit dem Charakter verknüpft wird, und ihm (und nur ihm) immer mehr Nutzen und Möglichkeiten bietet (vgl. hierzu das Konzept von Earthdawn). So erledigt sich meistens die Jagd nach neuen Gegenständen, man möchte lieber herausfinden, was z. B. das Langschwert ´Ymris´ noch so kann, wenn man nur genügend seiner Geheimnisse ans Tageslicht bringt. Dies ist zwar auch Gier, aber selten tödlich (für andere).